Cerambyx cerdo Linnaeus, 1758

Großer Eichenbock, Heldbock, Riesenbock, Spießbock, Eichenbock

Cerambycidae, Bockkäfer | Coleoptera-Käfer




Beschreibung

Der Große Eichenbock (Cerambyx cerdo) ist ein in Deutschland vom Aussterben bedrohter Käfer und zählt zu den größten Käfern Mitteleuropas. Er bevorzugt sonnenexponierte, kränkelnde oder absterbende alte Stieleichen, seltener Traubeneichen, Buchen oder Ulmen. Vollständig tote Bäume (Totholz) werden gemieden. Bevorzugt werden durchfeuchtete Stämme an sonnenexponierten Stellen, ursprünglich wohl in Eichen-Urwäldern der Zerfallsphase und Hartholzauen, Restvorkommen gibt es vor allem in alten Parkanlagen und Hutewäldern.

Die vollentwickelte Imago des Großen Eichenbocks hält sich fast ausschließlich an ihrem Geburtsbaum auf. Tagsüber versteckt sie sich unter loser Rinde, in alten Fraßgängen oder im Laub im direkten Umfeld des Baumes. In warmen Sommernächten mit Temperaturen über 18 °C, vor allem im Juni und Juli, fliegt die Imago kleinere Strecken, selten auch bis zu 4 Kilometer. Entsprechend gering ist die Verbreitungstendenz dieser sehr ortstreuen Tiere. Zwischen 20 und 22 Uhr ist ihre Hauptaktivität. Sie ernähren sich am Saftfluss verletzter Eichen und reifem Obst. Die adulten Tiere werden maximal 46 Tage (Männchen) bzw. 59 Tage (Weibchen) alt. Während seiner nächtlichen Aktivität erzeugt der Große Eichenbock stridulierende Geräusche, indem er die vorderen zwei seiner drei Brustsegmente aneinander reibt.

Je ein bis drei Eier auf einmal, insgesamt 60 bis 450, legt das Weibchen mehrmals in die knorrige Rinde alter Eichen. Nach bis zu drei Wochen schlüpfen die Larven und fressen sich zur ersten Überwinterung in das Kambium, im zweiten Jahr ins Splintholz und im dritten (bis fünften Jahr) ins Kernholz. Die neun bis zehn Zentimeter langen Larven ernähren sich von den Assimmilaten, Vitaminen und Mineralstoffen im Saftfluss des Baumes. Sie verpuppen sich im Juli oder August im Hakengang. Nach vier bis sechs Wochen schlüpfen je Baum bis zu 200 Käfer von Ende September bis Oktober, die dann ein drittes Mal in der Puppenwiege überwintern. In manchen Fällen dauert die Entwicklung auch vier oder fünf Jahre.

Wann der Rückgang der Art begonnen hat, ist heute nicht mehr nachvollziehbar. In der Forstwirtschaft wurde der Große Eichenbock als Schädling beschrieben. Das war aber anscheinend nicht immer so. Auslöser dieser Änderung in der Betrachtungsweise muss nicht unbedingt ein verstärktes Auftreten der Käfer in Deutschland gewesen sein. Vermutlich führten zwei größere Schadereignisse zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu den Erwähnungen in der Schädlings-Literatur. Von 1910 bis 1917 war der Große Eichenbock im ehemaligen Jugoslawien Mitverursacher eines größeren Eichensterbens, und in den 1920er-Jahren kam es in den Eichenwäldern der Waldsteppengebiete Südrusslands zu einer Kalamität, bei der auf 10.000 ha etwa jede dritte Eiche befallen war.

Der Große Eichenbock ist heute vom Aussterben bedroht und nach der FFH-Richtlinie (Anh. II und IV) der EU streng geschützt. In Deutschland ist die Art in Thüringen ausgestorben, in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Bayern sind nur noch Einzelvorkommen bekannt, die zum Teil auf einzelne Bäume beschränkt sind. In Berlin sind zurzeit an vier Orten Vorkommen bekannt. Flächenhafte Vorkommen sind noch in Südhessen, Baden-Württemberg (Großraum Karlsruhe), Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg vorhanden. In Deutschland ist der Große Eichenbock als eine nationale Verantwortungsart innerhalb der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt der Bundesregierung eingestuft. Die IUCN führt die Art als vulnerable.

Der Rückgang des Großen Eichenbocks lässt sich nur langsam bremsen, da Eichen erst in einem Alter ab 80 bis 150 Jahren für diese Käferart interessant werden. Die Ausbreitung (Wiederbesiedelung) und der genetische Austausch der Populationen ist durch die sehr kleine kritische Verbunddistanz von weniger als zwei Kilometern in der heutigen intensiv genutzten Landschaft Mitteleuropas und Westeuropas nicht mehr gegeben. Die verbliebenen und potenziellen Habitate des Großen Eichenbocks sind daher streng zu schützen und müssen durch eine angepasste Pflege und Bewirtschaftung erhalten werden. Dies ist eine der national vorrangig zu verfolgenden Maßnahmen nach der FFH-Richtlinie. Der Umbau der Forsten zu naturnahen Waldgesellschaften ist, trotz der langen Laufzeiten, weiter zu verfolgen. Größere zusammenhängende Laubwaldökosysteme, vor allem auf natürlichen Standorten der Stieleiche, sollten ihrer natürlichen Sukzession überlassen werden. Gegebenenfalls muss steuernd eingegriffen werden, um Neophyten wie Robinie und amerikanische Roteiche und Zerreiche, die direkte und starke Standortkonkurrenten sind, zu verdrängen. Eine extensive Forstwirtschaft, die Bevorzugung der langsamwüchsigen Stieleiche gegenüber Kiefern und ein weitgehender Verzicht auf „Baumpflege“ in Parks, Friedhöfen und Gärten könnten den weiteren Rückgang der Art bremsen.

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